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Kommt, nehmt Licht vom Licht und verherrlicht Christus
Ludwig M. Jetschke beim griechisch-orthodoxen Osterfest 2009
Das Heilige Grab in Jerusalem - Ort der Auferstehung Christi
Diesen Text habe ich im Jahr 2009 verfasst, als ich am orthodoxen Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag und Osterfest zu Gast in der Prophet-Elias-Gemeinde in Frankfurt am Main war.
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Der heutige Sonntag bildet den krönenden Höhepunkt der Großen Heiligen Woche – es ist Ostern und die orthodoxe Kirche feiert die heilige Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus! Ein Mitarbeiter von „Katholisch-orthodoxe Freundschaft“ war vor Ort und berichtet von den Osterfeierlichkeiten aus der griechisch-orthodoxen Gemeinde „Prophet Elias“ in Frankfurt/Main.
Kurzer Überblick zur orthodoxen Karwoche:
Während in römisch-katholischer Tradition die österliche Bußzeit vom Ostertag an vierzig Tage zurückrechnet, bereitet die orthodoxe Fastenzeit den Gläubigen auf die komplette „Große Woche“ vor – sie endet daher am Freitag vor Palmsonntag. Den Brückentag bildet der „Lazarus-Samstag“ – man gedenkt der Auferweckung des Lazarus als Ausblick auf das große Osterfest und singt daher ausnahmsweise auch alle Passagen, die normalerweise dem Sonntag vorbehalten sind.
Der Palmsonntag widmet sich dem Einzug in Jerusalem und man verteilt ebenfalls Palmzweige, die am Ende der Laudes gesegnet werden. Im Laufe der Geschichte haben sich die orthodoxen Feierlichkeiten der Karwoche um einen halben Tag verschoben - am Sonntag abend singt man bereits die Laudes (Orthros) vom Großen Montag. Während am Montag, Dienstag und Mittwoch dann morgens noch einmal die Liturgie der vorgeheiligten Gaben zelebriert wird, ist der Mittwochabend von der großen Krankensalbung geprägt, zu der im Idealfall sieben Priester zusammenkommen und alle anwesenden Gläubigen mit dem zu dieser Zeremonie geweihten Krankenöl salben.
Am Morgen des Großen Donnerstages findet die Basiliosliturgie im Gedenken an das letzte Abendmahl statt, in größeren Kirchen wird hier auch nach der Kommunionspendung die Fußwaschung vollzogen. Am Abend feiert man schon den Morgengottesdienst vom Freitag – hier haben wir uns in die Feierlichkeiten der Griechischen Gemeinde von Frankfurt eingeklinkt:
Ostern 2009 in der griechisch-orthodoxen Kirche in Frankfurt/Main:
Es ist etwas turbulent in Frankfurt – die griechische Kirche steckt mitten im Umbau und Ostern steht an. Eigentlich ist das Gotteshaus derzeit nur ein trister, hässlicher Rohbau – Pressspan, Beton und rohe Wände prägen hier das Bild. Doch die Griechen sind zwar gern chaotisch, aber dabei gleichzeitig wieder unglaublich kreativ: Sie verwandeln Woche für Woche die Baustelle in ein Gotteshaus, hängen Ikonen auf, räumen Stühle ein, rollen Teppiche aus und stellen den Altartisch in den neu gebauten Chorraum. Am Hohen Donnerstag erwarten sie mit großer Freude ihren „alten“ Pfarrer, der vor einigen Jahren zum Bischof geweiht wurde und nun als Vikarbischof den Metropoliten von Deutschland unterstützt.
Schnell wird noch improvisiert, um einen würdigen Bischofsthron zu präsentieren, dann beginnt auch schon der Gottesdienst. Zwölf Evangelien werden vorgetragen. Schon zu Beginn hört man die Abschiedsreden aus dem Johannesevangelium. Bereits in dieser zwanzigminütigen Passage verdichtet sich die Lage immer mehr – der Herr nimmt sich ein letztes Mal Zeit, seine Jünger eindringlich für die Zukunft zu unterweisen, denn sein Kreuzestod rückt in unaufhaltbare Nähe – die Tageszeit bringt es sogar mit sich, dass es mit jeder Minute immer dunkler wird. Nach der fünften Perikope gehen plötzlich schlagartig alle Lichter aus – der Bischof nimmt das große Altarkreuz, zieht durch die dunkle Kirche und singt in eindrücklicher Weise:
"Heute hängt am Holze, der die Erde über den Wassern aufgehängt hat; mit einem Dornenkranz wird der König der Engel umwunden. Zum Spott wird in Purpur gehüllt, der den Himmel in Wolken kleidet, Backenstreiche erhält, der im Jordan den Adam befreite. Mit Nägeln wird der Bräutigam der Kirche angeheftet, mit der Lanze der Sohn der Jungfrau durchbohrt. Wir beten deine Leiden an, Christus! Wir beten deine Leiden an, Christus! Wir beten deine Leiden an, Christus! Zeige uns auch deine herrliche Auferstehung."
Von diesem Moment an treten alle Gläubigen nach vorne, küssen dem Bischof die Hand und verehren das nun in der Mitte aufgestellte Kreuz, während die Lesung der Evangelien fortgesetzt wird. Die ganze Nacht ist nun die Kirche geöffnet und die Frauen beginnen in dieser Zeit, den Baldachin für das Grabtuch zu schmücken – damit tut sich eine Parallele zu den Myrrhe tragenden Frauen im Evangelium auf.
Am Freitag selbst setzt sich das Passionsgeschehen fort: Beim Evangelium der Grablegung wird der Corpus vom Kreuz abgenommen und in ein weißes Tuch gehüllt, zur neunten Stunde erklingt abermals in eindringlicher Weise der so von Paradoxien geprägte Hymnus. Am Abend folgt schließlich die große Beweinung am Grab.
Erneut hat sich in Frankfurt hoher Besuch angekündigt: Diesmal ist es der Metropolit persönlich, der immer wieder das Grabtuch mit Weihrauch und duftendem Weihwasser verehrt. Daraufhin folgt die große Prozession durch die Straßen, bei der sogar der Himmel weint. Wieder und wieder werden die Trauerhymnen angestimmt, während der Pfarrer, Vater Athinagoras, auf etwas unkonventionelle, oder eher griechisch-chaotische Weise einige Leute zusammenholt, um sich für die Litanei auf einer „Räuberleiter“ auch ohne Mikrofon Gehör zu verschaffen...
Zurück an der Kirche laufen alle Gläubigen unter dem Grabtuch durch und der Freitag findet so seinen Abschluss.
Da – wie oben schon erwähnt – die gesamte Karwoche um einen halben Tag nach vorn verschoben ist, wird schon am Samstagmorgen die Vesper zelebriert mit anschließender Basiliosliturgie. Während die Zelebranten zu Beginn noch dunkle Gewänder tragen, wird es plötzlich ziemlich laut: Zum Hymnus nach der Epistellesung singt Vater Athinagoras mit kraftvoller Stimme „Stehe auf, o Gott, richte die Erde, denn du erbst aus allen Völkern“, kommt in helle Gewänder gekleidet aus der Sakristei und wirft zusammen mit seinem Konzelebranten grüne Blätter in den Kirchenraum. Gekrönt wird dieses Ereignis nur noch durch die Frauen im hinteren Bereich, die auf Backbleche, Schüsseln und Töpfe schlagen und so geradezu den Heiland dazu herausfordern, aus dem Grab zu kommen.
Als unvorbereiteter Besucher bekommt man so etwas wie einen „heiligen Schreck“ – denn es lässt niemanden kalt, was hier geschieht – und wieder tut sich im Hinterkopf ein Gedanke aus der Heiligen Schrift auf, wo es heißt: „Da verließen sie das Grab und flohen; denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt.“ (Mk 16,8)
Nach der Liturgie ist das Programm des Großen Samstages beendet. Auch wir kommen zur Ruhe und bereiten uns auf den eigentlichen, großen Höhepunkt des Festes vor – die Osternacht.
Um 23.00 Uhr sind wir wieder in der Kirche: Noch einmal werden die Trauergesänge des Karfreitages angestimmt – noch einmal wird die Kirche komplett verdunkelt. Gegen Mitternacht regt sich etwas am Altar – die Osterflamme wird entzündet und damit an dem Ort gesegnet, wo seit Freitag der Corpus zur Ruhe kam. Nun wird das neue Licht besungen und mit einem Mal wendet sich der Pfarrer um, hält zwei große Fackeln in der Hand und ruft "Kommt, nehmt Licht vom ewigen Licht und verherrlicht Christus, den von den Toten auferstandenen."
Schlagartig stürmen die Gläubigen auf ihn zu und versuchen als erste, ihre Osterkerze daran zu entzünden. Unter freudigem Gesang zieht nun die ganze Gemeinde vor die Kirche: Dort wurde eigens die Straße gesperrt, denn auch in diesem Jahr sind etwa 3000 Griechen zum Osterfest versammelt. Feierlich wird auf einer Tribüne das Osterevangelium gesungen und endlich erklingt der lang ersehnte Ruf: CHRISTUS IST AUFERSTANDEN VON DEN TOTEN, IM TOD HAT ER DEN TOD ZERTRETEN UND DENEN IN DEN GRÄBERN LEBEN GESCHENKT. Während die große Menge viele Male das feierliche Ostertroparion anstimmt, ruft Vater Athinagoras wieder und wieder „Χριστὸς ἀνέστη“ (Christós anésti/Christus ist auferstanden) - alle antworten: „Αληθώς ανέστη“ (Alithós anésti/er ist wahrhaft auferstanden) und stimmen erneut in die Ostergesänge ein.
So begeben sich die Zelebranten zurück in die Kirche und setzen dort den Morgengottesdienst fort. Zu jeder Ode läuft der Konzelebrant, Vater Martinos, mit dem Rauchfass durch die Kirche und ruft den Gläubigen aufs Neue die Osterbotschaft zu.
So endet die Osternacht mit der feierlichen Chrysostomosliturgie, erneutem Ostereier aufschlagen und zahlreichen Osterwünschen kurz vor 3 Uhr.
Das Fest ist noch nicht vorbei: Um 12 Uhr kommen noch einmal alle Gläubigen zusammen zur „Vesper der Liebe“. Mit einer großzügigen Verspätung von 30 Minuten erscheint auch „schon“ der Pfarrer und die Vesper beginnt. Erneut haben alle ihre Kerzen entzündet, erneut singt man zahlreiche Male das „Χριστὸς ἀνέστη“, und erneut hört man ein Osterevangelium.
Der Auferstehungsbericht des Evangelisten Johannes wird in vielen Sprachen vorgetragen: Griechisch, Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch, Russisch und Latein: Die ganze Welt soll es wissen – Christus ist wahrhaft auferstanden!! Noch einmal ziehen die Zelebranten durch die Kirche und werfen mit den Rosenblättern, die zuvor den Baldachin des Grabtuches geziert haben.
Mit großer Freude setzt sich die Osterfeier im Kirchengelände fort: Man hat ein großes Pfarrfest nach typisch griechischer Manier organisiert und nun sitzen hunderte Leute im Festzelt, tanzen, singen, essen und feiern.
Auch hier machen sich die liebenswerten, chaotischen Verhältnisse der Griechen bemerkbar: Keiner hat langfristig ernsthaft geplant, auf welche Weise Fleisch, Kuchen und Kaffee beschafft werden, doch beim Fest selbst kann man sich kaum vor Essen retten, das Wunder der „Essensvermehrung“ funktioniert beim Griechen quasi fortwährend. Genausowenig ist den Leuten klar, wohin das gebrauchte Geschirr gebracht wird, doch auf ebenso wunderliche Weise kommt es doch zurück an seinen Platz. Etwas muss man den Griechen lassen: Sie organisieren alles zwar sehr planlos, aber sie beherrschen die Situation – und zwar mit vollster Überzeugung!
Es fasziniert einen Deutschen geradezu, wie gut die Dinge funktionieren, ohne sie akribisch genau durchdacht zu haben.
So endet der Ostersonntag mit diesem großen Fest – Christus ist auferstanden und die orthodoxe Kirche feiert ausgelassen das höchsten Tag des Jahres, welcher nach der großen Fastenzeit umso intensiver begangen wird.
Der Erlös des Festes kommt einer guten und wichtigen Sache zugute: Der dringend nötig gewordene Umbau der Kirche muss vollendet und finanziert werden. Die griechisch-orthodoxe Gemeinde „Prophet Elias“ am Westbahnhof von Frankfurt ist ein Geheimtipp – hier einmal vorbeizuschauen, die Göttliche Liturgie zu erleben und die Menschen zu treffen ist ein ganz einmaliges Erlebnis, welches ich jedem Interessierten empfehlen kann!
Insbesondere ist an dieser Stelle die Göttliche Liturgie in deutscher Sprache zu nennen, die immer am 4. Samstag* des Monats um 09.30 Uhr zelebriert wird.
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Der heutige Sonntag bildet den krönenden Höhepunkt der Großen Heiligen Woche – es ist Ostern und die orthodoxe Kirche feiert die heilige Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus! Ein Mitarbeiter von „Katholisch-orthodoxe Freundschaft“ war vor Ort und berichtet von den Osterfeierlichkeiten aus der griechisch-orthodoxen Gemeinde „Prophet Elias“ in Frankfurt/Main.
Kurzer Überblick zur orthodoxen Karwoche:
Während in römisch-katholischer Tradition die österliche Bußzeit vom Ostertag an vierzig Tage zurückrechnet, bereitet die orthodoxe Fastenzeit den Gläubigen auf die komplette „Große Woche“ vor – sie endet daher am Freitag vor Palmsonntag. Den Brückentag bildet der „Lazarus-Samstag“ – man gedenkt der Auferweckung des Lazarus als Ausblick auf das große Osterfest und singt daher ausnahmsweise auch alle Passagen, die normalerweise dem Sonntag vorbehalten sind.
Der Palmsonntag widmet sich dem Einzug in Jerusalem und man verteilt ebenfalls Palmzweige, die am Ende der Laudes gesegnet werden. Im Laufe der Geschichte haben sich die orthodoxen Feierlichkeiten der Karwoche um einen halben Tag verschoben - am Sonntag abend singt man bereits die Laudes (Orthros) vom Großen Montag. Während am Montag, Dienstag und Mittwoch dann morgens noch einmal die Liturgie der vorgeheiligten Gaben zelebriert wird, ist der Mittwochabend von der großen Krankensalbung geprägt, zu der im Idealfall sieben Priester zusammenkommen und alle anwesenden Gläubigen mit dem zu dieser Zeremonie geweihten Krankenöl salben.
Am Morgen des Großen Donnerstages findet die Basiliosliturgie im Gedenken an das letzte Abendmahl statt, in größeren Kirchen wird hier auch nach der Kommunionspendung die Fußwaschung vollzogen. Am Abend feiert man schon den Morgengottesdienst vom Freitag – hier haben wir uns in die Feierlichkeiten der Griechischen Gemeinde von Frankfurt eingeklinkt:
Ostern 2009 in der griechisch-orthodoxen Kirche in Frankfurt/Main:
Es ist etwas turbulent in Frankfurt – die griechische Kirche steckt mitten im Umbau und Ostern steht an. Eigentlich ist das Gotteshaus derzeit nur ein trister, hässlicher Rohbau – Pressspan, Beton und rohe Wände prägen hier das Bild. Doch die Griechen sind zwar gern chaotisch, aber dabei gleichzeitig wieder unglaublich kreativ: Sie verwandeln Woche für Woche die Baustelle in ein Gotteshaus, hängen Ikonen auf, räumen Stühle ein, rollen Teppiche aus und stellen den Altartisch in den neu gebauten Chorraum. Am Hohen Donnerstag erwarten sie mit großer Freude ihren „alten“ Pfarrer, der vor einigen Jahren zum Bischof geweiht wurde und nun als Vikarbischof den Metropoliten von Deutschland unterstützt.
Schnell wird noch improvisiert, um einen würdigen Bischofsthron zu präsentieren, dann beginnt auch schon der Gottesdienst. Zwölf Evangelien werden vorgetragen. Schon zu Beginn hört man die Abschiedsreden aus dem Johannesevangelium. Bereits in dieser zwanzigminütigen Passage verdichtet sich die Lage immer mehr – der Herr nimmt sich ein letztes Mal Zeit, seine Jünger eindringlich für die Zukunft zu unterweisen, denn sein Kreuzestod rückt in unaufhaltbare Nähe – die Tageszeit bringt es sogar mit sich, dass es mit jeder Minute immer dunkler wird. Nach der fünften Perikope gehen plötzlich schlagartig alle Lichter aus – der Bischof nimmt das große Altarkreuz, zieht durch die dunkle Kirche und singt in eindrücklicher Weise:
"Heute hängt am Holze, der die Erde über den Wassern aufgehängt hat; mit einem Dornenkranz wird der König der Engel umwunden. Zum Spott wird in Purpur gehüllt, der den Himmel in Wolken kleidet, Backenstreiche erhält, der im Jordan den Adam befreite. Mit Nägeln wird der Bräutigam der Kirche angeheftet, mit der Lanze der Sohn der Jungfrau durchbohrt. Wir beten deine Leiden an, Christus! Wir beten deine Leiden an, Christus! Wir beten deine Leiden an, Christus! Zeige uns auch deine herrliche Auferstehung."
Von diesem Moment an treten alle Gläubigen nach vorne, küssen dem Bischof die Hand und verehren das nun in der Mitte aufgestellte Kreuz, während die Lesung der Evangelien fortgesetzt wird. Die ganze Nacht ist nun die Kirche geöffnet und die Frauen beginnen in dieser Zeit, den Baldachin für das Grabtuch zu schmücken – damit tut sich eine Parallele zu den Myrrhe tragenden Frauen im Evangelium auf.
Am Freitag selbst setzt sich das Passionsgeschehen fort: Beim Evangelium der Grablegung wird der Corpus vom Kreuz abgenommen und in ein weißes Tuch gehüllt, zur neunten Stunde erklingt abermals in eindringlicher Weise der so von Paradoxien geprägte Hymnus. Am Abend folgt schließlich die große Beweinung am Grab.
Erneut hat sich in Frankfurt hoher Besuch angekündigt: Diesmal ist es der Metropolit persönlich, der immer wieder das Grabtuch mit Weihrauch und duftendem Weihwasser verehrt. Daraufhin folgt die große Prozession durch die Straßen, bei der sogar der Himmel weint. Wieder und wieder werden die Trauerhymnen angestimmt, während der Pfarrer, Vater Athinagoras, auf etwas unkonventionelle, oder eher griechisch-chaotische Weise einige Leute zusammenholt, um sich für die Litanei auf einer „Räuberleiter“ auch ohne Mikrofon Gehör zu verschaffen...
Zurück an der Kirche laufen alle Gläubigen unter dem Grabtuch durch und der Freitag findet so seinen Abschluss.
Da – wie oben schon erwähnt – die gesamte Karwoche um einen halben Tag nach vorn verschoben ist, wird schon am Samstagmorgen die Vesper zelebriert mit anschließender Basiliosliturgie. Während die Zelebranten zu Beginn noch dunkle Gewänder tragen, wird es plötzlich ziemlich laut: Zum Hymnus nach der Epistellesung singt Vater Athinagoras mit kraftvoller Stimme „Stehe auf, o Gott, richte die Erde, denn du erbst aus allen Völkern“, kommt in helle Gewänder gekleidet aus der Sakristei und wirft zusammen mit seinem Konzelebranten grüne Blätter in den Kirchenraum. Gekrönt wird dieses Ereignis nur noch durch die Frauen im hinteren Bereich, die auf Backbleche, Schüsseln und Töpfe schlagen und so geradezu den Heiland dazu herausfordern, aus dem Grab zu kommen.
Als unvorbereiteter Besucher bekommt man so etwas wie einen „heiligen Schreck“ – denn es lässt niemanden kalt, was hier geschieht – und wieder tut sich im Hinterkopf ein Gedanke aus der Heiligen Schrift auf, wo es heißt: „Da verließen sie das Grab und flohen; denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt.“ (Mk 16,8)
Nach der Liturgie ist das Programm des Großen Samstages beendet. Auch wir kommen zur Ruhe und bereiten uns auf den eigentlichen, großen Höhepunkt des Festes vor – die Osternacht.
Um 23.00 Uhr sind wir wieder in der Kirche: Noch einmal werden die Trauergesänge des Karfreitages angestimmt – noch einmal wird die Kirche komplett verdunkelt. Gegen Mitternacht regt sich etwas am Altar – die Osterflamme wird entzündet und damit an dem Ort gesegnet, wo seit Freitag der Corpus zur Ruhe kam. Nun wird das neue Licht besungen und mit einem Mal wendet sich der Pfarrer um, hält zwei große Fackeln in der Hand und ruft "Kommt, nehmt Licht vom ewigen Licht und verherrlicht Christus, den von den Toten auferstandenen."
Schlagartig stürmen die Gläubigen auf ihn zu und versuchen als erste, ihre Osterkerze daran zu entzünden. Unter freudigem Gesang zieht nun die ganze Gemeinde vor die Kirche: Dort wurde eigens die Straße gesperrt, denn auch in diesem Jahr sind etwa 3000 Griechen zum Osterfest versammelt. Feierlich wird auf einer Tribüne das Osterevangelium gesungen und endlich erklingt der lang ersehnte Ruf: CHRISTUS IST AUFERSTANDEN VON DEN TOTEN, IM TOD HAT ER DEN TOD ZERTRETEN UND DENEN IN DEN GRÄBERN LEBEN GESCHENKT. Während die große Menge viele Male das feierliche Ostertroparion anstimmt, ruft Vater Athinagoras wieder und wieder „Χριστὸς ἀνέστη“ (Christós anésti/Christus ist auferstanden) - alle antworten: „Αληθώς ανέστη“ (Alithós anésti/er ist wahrhaft auferstanden) und stimmen erneut in die Ostergesänge ein.
So begeben sich die Zelebranten zurück in die Kirche und setzen dort den Morgengottesdienst fort. Zu jeder Ode läuft der Konzelebrant, Vater Martinos, mit dem Rauchfass durch die Kirche und ruft den Gläubigen aufs Neue die Osterbotschaft zu.
So endet die Osternacht mit der feierlichen Chrysostomosliturgie, erneutem Ostereier aufschlagen und zahlreichen Osterwünschen kurz vor 3 Uhr.
Das Fest ist noch nicht vorbei: Um 12 Uhr kommen noch einmal alle Gläubigen zusammen zur „Vesper der Liebe“. Mit einer großzügigen Verspätung von 30 Minuten erscheint auch „schon“ der Pfarrer und die Vesper beginnt. Erneut haben alle ihre Kerzen entzündet, erneut singt man zahlreiche Male das „Χριστὸς ἀνέστη“, und erneut hört man ein Osterevangelium.
Der Auferstehungsbericht des Evangelisten Johannes wird in vielen Sprachen vorgetragen: Griechisch, Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch, Russisch und Latein: Die ganze Welt soll es wissen – Christus ist wahrhaft auferstanden!! Noch einmal ziehen die Zelebranten durch die Kirche und werfen mit den Rosenblättern, die zuvor den Baldachin des Grabtuches geziert haben.
Mit großer Freude setzt sich die Osterfeier im Kirchengelände fort: Man hat ein großes Pfarrfest nach typisch griechischer Manier organisiert und nun sitzen hunderte Leute im Festzelt, tanzen, singen, essen und feiern.
Auch hier machen sich die liebenswerten, chaotischen Verhältnisse der Griechen bemerkbar: Keiner hat langfristig ernsthaft geplant, auf welche Weise Fleisch, Kuchen und Kaffee beschafft werden, doch beim Fest selbst kann man sich kaum vor Essen retten, das Wunder der „Essensvermehrung“ funktioniert beim Griechen quasi fortwährend. Genausowenig ist den Leuten klar, wohin das gebrauchte Geschirr gebracht wird, doch auf ebenso wunderliche Weise kommt es doch zurück an seinen Platz. Etwas muss man den Griechen lassen: Sie organisieren alles zwar sehr planlos, aber sie beherrschen die Situation – und zwar mit vollster Überzeugung!
Es fasziniert einen Deutschen geradezu, wie gut die Dinge funktionieren, ohne sie akribisch genau durchdacht zu haben.
So endet der Ostersonntag mit diesem großen Fest – Christus ist auferstanden und die orthodoxe Kirche feiert ausgelassen das höchsten Tag des Jahres, welcher nach der großen Fastenzeit umso intensiver begangen wird.
Der Erlös des Festes kommt einer guten und wichtigen Sache zugute: Der dringend nötig gewordene Umbau der Kirche muss vollendet und finanziert werden. Die griechisch-orthodoxe Gemeinde „Prophet Elias“ am Westbahnhof von Frankfurt ist ein Geheimtipp – hier einmal vorbeizuschauen, die Göttliche Liturgie zu erleben und die Menschen zu treffen ist ein ganz einmaliges Erlebnis, welches ich jedem Interessierten empfehlen kann!
Insbesondere ist an dieser Stelle die Göttliche Liturgie in deutscher Sprache zu nennen, die immer am 4. Samstag* des Monats um 09.30 Uhr zelebriert wird.
Veröffentlicht: 07.04.2018